Buzzfeed – Futter für „Feel“-Surfer
Vergangene Woche ging Buzzfeed mit einer deutschsprachigen Version an den Start. Was auf den ersten Blick wie eine der einschlägigen Gaming-Websites für den pubertierenden, medienkonsumgeschädigten Teenager unserer Zeit aussieht, gehört im englischsprachigen Raum mit 150 Millionen Besuchern pro Monat bereits zu den beliebtesten Medienportalen. Zum Vergleich: Die Webseiten von CNN erreichen monatlich 95 Millionen Menschen, die der New York Times 75 Millionen.
Statt langer Artikel und Hintergrundberichte gibt es auf Buzzfeed Ranking-Listen, Quiz-Formate, reißerische Schlagzeilen und jede Menge animierte Bilder. Auch die Themeneinteilung in klassische Ressorts fehlt und wird durch sogenannte Reaktions-Buttons („LOL“, „genial“, „omg“, „süß“, „fail“ und „wtf“) ersetzt. Buzzfeed ist (noch) eine Info-Plattform für die junge Zielgruppe (die Hälfte der Nutzer ist zwischen 18 und 34 Jahre alt), wird jedoch sicherlich im Laufe der nächsten Jahre mitwachsen und so automatisch zu einem der „Leitmedien“ auch der älteren Erwachsenen werden. Dabei ist Buzzfeed keinesfalls ein „normales“ Medium. Was das Portal zu einem Eldorado für die werbetreibende Industrie macht, ist die Tatsache, dass Buzzfeed-Redakteure konkrete Einsichten in das Lese-, Teil- und Klick-Verhalten der User erhalten. Native Advertising lässt sich so noch besser auf die Wünsche und Bedürfnisse der Leser abstimmen. Opel zeigt zurzeit mit dem Opel Adam wie es gemacht wird. Buzzfeed steht also für schnelle Reichweite und ist somit eine wunderbare und ergiebige Spielwiese für die Native Advertiser, Content Marketer und PR`ler dieser Welt.
Man kann diese Form des Journalismus verdammen und für moralisch bedenklich halten, aber er lässt sich nicht aufhalten geschweige denn negieren. Hier drängt sich natürlich die Frage auf, wie der große Erfolg von Informationsportalen wie Buzzfeed.com, Heftig.co oder auch Huffington Post zu erklären ist. Es gibt in diesem Zusammenhang einige Studien, die sich international mit dem Klick-, Teil- und Leseverhalten von Usern nicht nur in Sozialen Netzwerken beschäftigen. Auffällig ist hierbei, dass für die meisten User die Quelle der Information oder des Posts völlig bedeutungslos ist, sofern nur das Angebot selbst interessant ist und sie in irgendeiner Form anspricht. Aber woher kommt dieses scheinbar grenzenlose Vertrauen in digitale Inhalte? Heute hat man durch die Grenzenlosigkeit des Internets Zugang zu einer unüberschaubaren Anzahl von Informationsquellen. Hierbei neutrale und unabhängige Quellen von bezahlten, werbenden Inhalten zu unterscheiden, ist für den „normalen“ User eine schier unlösbare Aufgabe. Hinzu kommt, dass die digitale Suche in den großen Suchmaschinen dazu verleitet, nur noch oberflächlich zu suchen – nur was Google auf der ersten Seite anzeigt ist von Bedeutung – was unweigerlich zu oberflächlichen Ergebnissen führt. So ist ein ausreichendes Vorwissen um einen Sachverhalt nötig, um bewerten zu können, ob ein Suchergebnis (sprich eine Quelle) unabhängig und werbefrei ist oder nicht.
Dass die Industrie selbst Informationen – sprich Content – produziert und in eigenen Medienkanälen (Corporate Blogs, Youtube-Kanäle, Facebook-, Twitter oder LinkedIn-Accounts) verbreitet, ist jedoch nur recht und billig. Oftmals ist die Aufbereitung eines Themas rund um ein beworbenes Produkt oder eine Dienstleistung so gut gemacht, dass es sich in keiner Weise von einem journalistischen Hintergrundbericht unterscheidet. Und der Leser bestimmt letztendlich, was „guter“ Content ist.
Der klassische Journalismus braucht Antworten!
Gefragt ist also die Kreativität und Wandelbarkeit des ursprünglichen, klassischen Journalismus‘. Will er überleben, reicht das pure Ansammeln von Informationen nicht mehr aus, um den Leser anzusprechen und zu halten. Da der Markt sich nach den Bedürfnissen der Info-Nutzer, nicht denen der Info-Produzenten richtet, hilft es den ursprünglichen Medien nichts, sich auf alte Gewohnheitsrechte und erworbene Ansprüche zu berufen: Die Frage ist, wie guter unabhängiger Journalismus sich ansprechender und damit konkurrenzfähig gegenüber Brandjournalismus, Native Advertising und anderen Newslieferanten positionieren kann.
Und Buzzfeed schläft nicht: Leser bekommen bereits jetzt auch Reportagen und lange Geschichten zu lesen – und diese traditionellen „harten“ Nachrichten werden ebenso angeklickt.